Winfried ist schuld

WAZ Logo Sein bester Freund nahm Theo Rous mit zum Leichtathletikverein. Und der Sport ließ den Alpener nicht mehr los
Theo RousTheo Rous aus Alpen (Foto: Daniel Tomczak)
Winfried ist schuld. Jener beste Freund, der den Jungs in Oberhausen-Buschhausen davonrannte. Zwölf oder 13 waren sie da und die Schrecken des Krieges noch allgegenwärtig im Ruhrgebiet der 40er-Jahre. Die Strecke, die die vier Jungs unter sich aufteilten, lief Winfried allein – und gewann. „Das hat mir imponiert“, sagt Theo Rous. „Und dann bin ich mitgegangen.“ Winfried nahm seinen besten Freund Theo also mit zu Rot-Weiß Oberhausen (RWO), einem der besten Leichtathletikvereine zu dieser Zeit. Und begründete damit eine Funktionärskarriere, die in der Region ihresgleichen sucht.
Leiter Arbeitsgruppe Doping

Theo Rous sitzt in seinem Alpener Esszimmer und lächelt. Fast 70 Jahre sind seit diesem Wettrennen vergangen. Und in dieser Zeit hat der 79-Jährige Erinnerungen und Ehrungen gesammelt wie Philatelisten ihre Briefmarken.

Vom Jugendwart bei Rot-Weiß Oberhausen ging es unter anderem über den Vorsitz des Leichathletikkreises Rhein-Lippe und des Gemeindesportverbands Alpen über den Chefposten beim Leichtathletikverband Rheinland auf den Platz des Vizepräsidenten des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV), einem wahrlichen Schwergewicht im deutschen Sportwesen.

Hier leitete und begleitete er bis 2005 besonders die Nachwuchsmannschaften, reiste mit ihnen nach Chile, Jamaica, Japan, China, Hongkong. Begleitete die Leichtathleten zu den Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen in Atlanta, in Athen sogar als Delegationsleiter. Er repräsentierte, delegierte, löste Probleme und kämpfte. Darunter auch Kämpfe, die im Sport zwar immens wichtig, aber nie wirklich zu gewinnen sind. 1990 war Theo Rous Vorsitzender der allerersten Arbeitsgruppe Doping innerhalb des DLV und begann damit eine Aufgabe, „die mich zeitlich und emotional stark beansprucht hat“. Und als er 2005 aus dem DLV-Präsidium ausschied, war ihm besonders die Aufarbeitung der Vergangenheit des Verbandes in der Nazi-Diktatur ein Anliegen.

All diese Erinnerungen und Meriten waren nicht einmal erahnbar, als Theo mit seinem Freund Winfried die Anlage des Leichtathletikvereins betrat. Theo Rous wurde Mittelstreckler, „aber kein besonders guter“. So ging die Sportkarriere mit dem Abitur zu Ende – und Theo Rous ins Studium.

Latein, Griechisch und Sport – eine vergleichsweise ungewöhnliche Fächerwahl. „Nach dem Krieg blühte in Deutschland der Humanismus wieder auf“, so Rous. Die Gier nach Bildung sei damals riesig gewesen. Hinzu kam ein Lateinlehrer, der zu begeistern wusste. „Aus unserer Klasse haben nach dem Abitur sechs Schüler Latein und Griechisch studiert.“ Selbst zu dieser Zeit eine ziemlich hohe Zahl. Und für Theo Rous war es eine Wahl mit Kopf und Herz.

Denn abgesehen davon, dass er als Absolvent eines humanistischen Gymnasiums Latein gut beherrschte, wählte Theo Rous das Fach vor allem, weil Lateinlehrer damals rar gesät waren. Sport dagegen war und ist seine Herzensangelegenheit. „Mein Lebensmittelpunkt“, wie er es selbst nennt. Abgesehen selbstverständlich von seiner Familie, mit der er seit 1970 in Alpen lebt – seiner Ehefrau Irmingard, seinen vier Kindern und mittlerweile sechs Enkelkindern. Nur folgerichtig, dass er Herz und Kopf in seinem Beruf verband und Lehrer wurde – am Mercator Gymnasium in Duisburg, wo er bis 1997 unterrichtete.

Es wäre Material für Hunderte Geschichte vorhanden. Ach was, Bücher könnte man füllen. So wie Theo Rous es bereits tat. Mehr als 100 Reden hat er seit den 90er-Jahren gehalten, eine Vielzahl davon hat er in einem Buch zusammengestellt. „Lachend die Wahrheit sagen.

Das wird Theo Rous sicherlich auch tun, wenn er sich bald mit seinen alten Leichtathletikfreunden aus Oberhausener Zeiten in Xanten treffen wird. Und dann wird auch Winfried dabei sein.