Schon als Schüler besuchte Wolfgang Müller das Merctor-Gymnasium – und haderte damals mit den strengen Lehrern an der „Kadettenschule“. Als er als stellvertretender Rektor zurückkam, wollte er vieles anders machen. „Noten und Wertschätzung sind zwei verschiedene Dinge.“
Nach 38 Jahren als Lehrer ist Wolfgang Müller mit seinem Wirken am Mercator-Gymnasium im Reinen. Der stellvertretende Schulleiter verabschiedet sich in den Ruhestand. Dass er die Schule in guter Erinnerung behält, hat viel mit seinem Job in den vergangenen Jahren zu tun. Als Schüler haderte er eher mit der damals naturwissenschaftlich ausgerichteten Bildungseinrichtung an der Musfeldstraße.
Schnurrbart musste ab
Wolfgang Müller war ein guter Grundschüler, er sollte aufs Gymnasium. In seiner Familie war er das erste Kind, das Abitur machen sollte. „Mein Vater war damals Geldbriefträger in Hochfeld. Er kannte das Umfeld und dachte, wenn er mich aufs Mercator schickt, hat er mich im Blick“, erinnert sich der heute 65-Jährige. In der Tat kam der Papa in der Pause manchmal „mit einem warmen Händedruck“ an den Schulzaun und drückte ihm zwei Mark in die Hand.
Im Unterricht lief es für den Deutsch- und Sozialwissenschaften-Lehrer aber nicht besonders gut. Die Zeiten am Jungen-Gymnasium waren streng. „Wir waren eine Kadettenschule.“ Als sich Wolfgang Müller irgendwann einen Schnurrbart wachsen ließ, hieß es: „Der muss abrasiert werden, der Bart schade dem Ruf der Schule.“ Müller ließ sich nicht beirren, war beeindruckt von dem Aufbruch in den 60er Jahren, nahm an Sitzblockaden und Protesten teil – und fasste den Entschluss, Lehrer zu werden und alles anders zu machen. „Eigentlich war ich naiv und nicht besonders gut auf das Schulleben vorbereitet“, sagt er rückblickend. Im Referendariat, das er am Kopernikus-Gymnasium absolvierte, gab’s widerstreitende Meinungen, ob man eher nah beim Schüler sein oder streng Leistung einfordern sollte. Müller war immer bei den Schülern.
Später unterrichtete der Duisserner zunächst in Mülheim. Nach vielen Jahren als Lehrer bewarb er sich dann auf einen Stellvertreter-Posten – in Mülheim. Die Stelle bekam allerdings ein anderer, ihm empfahl man das „Merctor“. „Das hat mich gereizt. Natürlich ist das witzig. Zum Glück waren die Preußen alle weg.“
Die Schule hat sich seitdem gewandelt. Die Teenager seien heute freier, fühlten sich aber manchmal auch alleingelassen. Müller hat versucht, ihnen das Gefühl zu gegeben, gemocht und akzeptiert zu sein. „Auch anstrengende Schüler kann man mögen“, betont er. Im Unterricht ist er aber durchaus streng. „Ich schmeiß’ nicht mit Zweiern um mich. Aber ich habe den Kindern vermittelt, dass Notengebung und Wertschätzung zwei verschiedene Dinge sind.“ Die Arbeit mit Kollegen und Schülern mochte er. Als stellvertretender Rektor hatte er aber auch viele Formalitäten zu erledigen. In seinem Büro hängt denn auch der Spruch: „Papierkram is killing me.“
Als Pensionär will sich der Vater von zwei Söhnen erst einmal ausruhen – und sich später vielleicht ein Ehrenamt suchen. Eine Woche lang wurde er nun in verschiedenen Runden verabschiedet. Die Kollegen bedauern seinen Weggang. Beim Schulfest glaubte Müller, drumherum zu kommen, indem er lieber Zeugnisse unterschrieb – doch er hatte die Rechnung ohne die Jugendlichen gemacht. Sie verabschiedeten den BVB-Fan standesgemäß mit „You’ll never walk alone.“
Fabienne Piepiora