40 Duisburger Schüler vor der königlichen Seilerei

Rochefort-Austausch – gelebte Gastfreundschaft – vierzig Schülerinnen und Schüler erleben Frankreich

Der Schüleraustausch zwischen dem Mercator-Gymnasium und dem Collège Pierre Loti besteht nun bereits seit 58 Jahren und ist somit einer der ältesten deutsch-französischen Schüleraustausche überhaupt. 1967, also nur vier Jahre nach dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag (auch Elysée-Vertrag genannt), schon begegneten sich erstmals Schülerinnen und Schüler aus Duisburg und Rochefort-sur-Mer im Département Charente-Maritime. 

Auch in diesem Jahr zogen im März wieder vierzig französische Schülerinnen und Schüler des Lycée Dassault und des Collège Pierre Loti in Duisburger Familien ein und lebten mit ihnen für sechs Tage. Bereits drei Wochen später, im April, reisten dann vierzig junge Duisburgerinnen und Duisburger des Mercator- und des Steinbart-Gymnasiums nach Rochefort. Für eine ganze Woche bezogen sie ihr Zuhause und lernten die Eltern und Gastgeschwister endlich kennen. Da war sehr vieles anders: die Menschen, die Sprache, die Essgewohnheiten und die individuellen Vorlieben. 

klassizistische Sandsteinfassade

Collège Pierre Loti in Rochefort- Haupteingang

Auch die Stadt Rochefort ist so ganz anders als unsere Duisburger Heimat. Nur 23.000 Einwohner hat die Stadt, die 1666 unter Ludwig dem XIV. von seinem Minister Colbert schachbrettförmig erbaut wurde, um dort, nicht weit vom Atlantik, aber geschützt durch die vorgelagerten Inseln, eine Flotte zu bauen, die es mit der britischen Armada aufnehmen sollte.
Schon wenige Jahrzehnte später wurden die Holzhäuser gegen die Sandsteinhäuser ausgetauscht, wie sie heute noch das Stadtbild prägen. Alle Häuser sind aus demselben gelblich weißen Stein aus einem Steinbruch in der Nähe gebaut. So staunten die Duisburger bei ihrer Ankunft nicht schlecht, dass alle Häuser ziemlich gleich aussehen und meist über vierhundert Jahre alt sind. Viele waren dann überrascht, als sie sahen, dass sie von innen durchaus modern sind.  

Collège Pierre Loti – Innenhof im Verwaltungstrakt

Dennoch ist das Stadtleben dort mit unserem nicht zu vergleichen. Wenn die Schüler sich in Kleingruppen allein durch die Stadt bewegten, musste man sich nie sorgen, dass jemand die Orientierung verlieren könnte. Auch der Straßenverkehr in den kleinen fußgängerfreundlichen Sträßchen war sehr übersichtlich. Ampeln beispielsweise gibt’s dort gar nicht. 

Auch die Schulen waren doch sehr anders. Schon das Gebäude des Collège Pierre Loti wirkte sehr alt und traditionell. Dass die Schuleingänge bewacht sind, wussten die Schüler schon aus dem Französisch-Lehrbuch, aber dort gibt es auch Gärten in einzelnen Höfen und in beiden Schulen gibt es auch Zimmer für Internatsschüler und mehrere Dienstwohnungen für Personal. In der Kantine gibt es also nicht nur Mittagessen, und zwar ein richtig gutes, sondern auch Frühstück und ein “Dîner”.  

Auch am Lycée Dassault staunten unsere Schüler nicht schlecht. Das Hauptgebäude liegt direkt hinter einem malerischen kleinen Yachthafen. Da die Schule nicht nur die klassischen Zweige zum Baccalauréat (Abitur) anbietet, sondern auch mehrere professionelle Ausrichtungen, werden dort in vielen kleinen Werkstätten auch Teile für Boote und Flugzeuge hergestellt. 

16 Duisburger Schülerinnen, 2 deutsche und 2 französische Lehrkräfte in einer größeren Halle

Lycée Dassault – Besuch der Werkstätten

Bereits am ersten Tag nach der Ankunft erlebten alle Duisburger den Schulalltag mit ihren Austauschpartnern. Die Schüler wechseln die Räume in den Pausen und die Lehrer bleiben in ihren Fachräumen. Und ja, vieles war etwas strenger als in Deutschland. Abends gab es dann einen Empfang für die Gruppe im Rathaus. 

Lehrkräfte und Stadtabgeordnete unter einer blau-weiß-rot beleuchteten Marianne-Büste. Die stellvertretende Bürgermeisterin trägt eine Tricolore-Schärpe.

Empfang im Rathaus – deutsche und französische Lehrer*innen und vier stellvertretende Bürgermeister*innen der Stadt Rochefort

Danach ging es schon ins Wochenende mit der Gastfamilie. Was einen dort wohl erwarten würde? Viele Schüler fuhren da mit ihren Gastfamilien auf die dem Fluss Charente vorgelagerten Inseln Île de Ré, Île d’Oléron oder liefen bei Ebbe zur kleinen Île Madame. Wer dort allerdings erst am Sonntag hinfuhr, hatte Pech. Da lag ein Großteil der Inseln im dichten Nebel. Ansonsten war immer bestes Frühlingswetter. 

Für die Tage danach hatten die französischen Lehrkräfte einige Ausflüge geplant. Im März hatten die Franzosen das Trainingsbergwerk in Recklinghausen besucht, den Landschaftspark Nord, einen Kletterpark und waren mit der U-Bahn gefahren. Was würde die Gruppe wohl in einer so beschaulichen Kleinstadt in Südwest-Frankreich erwarten? Ganz was anderes in jedem Fall. So kam es dann auch: Die Jugendlichen lernten in der königlichen Seilerei, wie man aus Hanf riesige Seile herstellt und wie man sie dann auf einem Schiff bewegt und ein anderes Mal lernten sie, wie man Austern züchtet. Die meisten haben dann auch welche in ihren Gastfamilien zum Probieren angeboten bekommen. Die waren aber nicht jedermanns Fall. 

in der Seilerei

Salim in der königlichen Seilerei – er nutzt einen Seilzug, um ein Gewicht zu heben.

ein Dutzend Schüler*innen hört der Führung in der Seilerei aufmerksam zu.

bei der Führung in der königlichen Seilerei

Am letzten Tag waren dann der Besuch des Aquariums und eine Stadt-Rallye in der Küstenstadt La Rochelle angesagt. Am Abend gab es noch eine große Abschiedsparty für alle Beteiligten, in die sich auch einige neugierige Internatsschüler des Lycée Dassault mischten. Die meisten zog es in die Abendsonne nach draußen, wo gemischte Mannschaften Volleyball und Basketball spielten, bis sie von ihren Gasteltern abgeholt wurden. Die letzte Nacht in Rochefort war kurz, denn um 7.15h war bereits Treffpunkt am Bus. Manch einem fiel der Abschied schwer. Einige Duisburger planen bereits, direkt in den Sommerferien wieder nach Rochefort zu fahren, um noch mehr Zeit mit ihrer neuen zweiten Familie zu verbringen. So soll es sein, der Beginn hoffentlich langer Freundschaften und die Erweiterung der Komfortzone für viele junge Duisburger. 

Schülergruppe im Marschland im Sonnenschein

im Außenbereich des Zentrums für Austernzucht

Auch für die Lehrkräfte war es ein besonderer Austausch. Die Energie und Begeisterung, insbesondere der drei sehr jungen (von insgesamt vier) Duisburger Lehrkräfte kam auch bei den Franzosen sehr gut an. Natürlich waren auch sie in Familien untergebracht und reisten nun mit einigen neuen Freundschaften im Gepäck zurück, glücklich, die Reise mit nur sehr wenigen kleinen Wehwehchen überstanden zu haben und erfüllt von der erlebten deutsch-französischen Freundschaft. Auf die nächsten 58 Jahre! Vive l’amitié franco-allemande!